In Südamerika ist auch außerhalb der Karnevalszeit auf den Festen eine Menge los. Je nach Region mischen sich indigene Elemente mit afrikanischen und christlichen. Überall wird das Leben gefeiert.
Brasilien: Festa Junina
Den ganzen Juni lang herrscht in Brasilien Partystimmung: Das Sonnenwendfest zu Ehren der Juni-Heiligen São Antônio, São João und São Pedro wird in Brasilien ganz groß gefeiert, an manchen Ecken sogar noch größer als der Karneval. In Caruaru im Nordosten geht es besonders hoch her, was der City einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde beschert hat.
Die Ursprünge des Festes sind wohl vor rund 1500 Jahren in den katholischen Ländern Europas zu suchen. Damals hieß es „Joanina“; in Brasilien wurde daraus „Junina“. Zur Kolonialzeit brachten die Portugiesen das Fest nach Brasilien, auf dem heute vor allem zu den Musikstilen Sertanejo und Forró getanzt wird.
Was es besonders spannend macht, sind seine vielfältigen kulturellen Einflüsse. So hat der typische Volkstanz Quadrilha seinen Ursprung in der französischen Quadrille, das traditionellen Feuerwerk stammt aus China und der traditionelle Tanz „Dança de fitas“ (Bändertanz) kommt aus Spanien und Portugal. Zu diesen europäischen Elementen haben sich im Laufe der Zeit afro-brasilianische und indigene Einflüsse gesellt.
Die Quadrilha wird heute eigentlich nur noch auf dem Festa Junina und in einigen ländlichen Gegenden getanzt. Man kleidet sich wie die Landbevölkerung vergangener Jahrhunderte; die Männer erscheinen mit Hosenträgern und karierten Hemden, die Frauen flechten sich Zöpfe und tragen Strohhüte. Gegessen werden vor allem Maisgerichte, da der Mais im Juni geerntet wird. So kommen zum Beispiel Maiskuchen, gekochte Maiskolben, süße Maispaste und leckeren Maispudding auf den Tisch, aber auch andere Gerichte – je nach Region.
Tipp: Wer sich auf dem Fest gut amüsieren will, sollte sich vor allem im Süden des Landes warm anziehen. Denn im Juni ist in Brasilien Winteranfang; es kann empfindlich frisch und regnerisch werden.
Cusco, Peru: Inti Raymi
Wer sich um den 24. Juni in Peru aufhält, sollte auf keinen Fall das farbenfrohe Inka-Fest verpassen. Über 100 000 in- und ausländische Besucher feiern das Inti Raymi (Quechua für „Fest der Sonne“), das zu Ehren des Sonnengottes ausgerichtet wird, aber auch als Zeichen des Dankes für die eingefahrene Ernte gilt.
In alten Zeiten fand die wohl wichtigste Festlichkeit der Inkas in Cusco zur Wintersonnwende am 21. Juni statt. Allerdings wurde sie Mitte des 16. Jahrhunderts von den spanischen Kolonialherren verboten und erst 1944 auf Initiative verschiedener indigener Künstler wieder Teil des kulturellen Lebens Perus.
Fast eine Woche lang kommt auf dem zweitgrößten Happening Südamerikas keine Langeweile auf. Dafür sorgen die vielen Veranstaltungen, Straßenfeste und fröhlichen Menschen. Und abends geben die besten peruanischen Bands kostenlose Konzerte.
Am 22. Juni wird das Inti Raymi offiziell mit einen Feuerwerk eingeleitet; der 23. Juni steht ganz im Zeichen des Folkloreumzugs durch Cusco – mit open end. Am 24. Juni beginnt dann die eigentliche Fiesta del sol mit der Sonnenzeremonie in Saqsaywamán nahe Cusco. Auf den Inkamauern wird bei Inka-Zeremonien die Vergangenheit wieder lebendig. Angesichts der Priester, Soldaten, Adeligen und Sonnenjungfern, die von den Hunderten Schauspielern verkörpert werden, fühlen sich die Besucher um Jahrhunderte zurückversetzt. Als einer der Höhepunkte opfert der oberste Priester dem Sonnengott ein Lama.
Nach den Aufführungen wird kräftig weitergefeiert. Auf dem Folklorefestival lässt sich das ganze Spektrum an farbenfroher peruanischer und bolivianischer Andenfolklore bewundern.
Brasilien: Bumba Meu Boi
Ein anderes faszinierendes Spektakel, bei dem portugiesische, afrikanische und indigene Elemente miteinander verschmelzen, ist Bumba Meu Boi („Beweg dich, mein Ochse“). Wie der Name schon andeutet, steht bei diesem temperamentvollen Festspiel mit viel Musik, Tanz und Schauspiel der Ochse im Mittelpunkt. Je nach Region gibt es leichte Abwandlungen – im Süden begleiten Akkordeonklänge das Spiel, im Norden und Nordosten sind dafür die Trommeln zuständig. Besonders groß wird Bumba Meu Boi zwischen Ende Juni und Mitte August in São Luís im nordöstlichen Bundesstaat Maranhão gefeiert.
Die Vorbereitungen sind fast so aufwändig wie zum Karneval: Das ganze Jahr arbeiten viele Gruppen an ihren Kostümen, studieren neue Lieder und Texte ein. In dem Schauspiel selbst geht es um die schwangere Catrina, die unbedingt ein Stück Rinderzunge essen will. Ihr Mann zieht los, um den beliebten Ochsen Boi Mimoso zu töten. Doch der Gutsbesitzer macht ihm einen Strich durch die Rechnung und bringt ihn vor Gericht.
Ihm soll erst verziehen werden, wenn der Ochse wieder aufersteht. Das tut er wirklich, nachdem magische Gesänge und Tänze der Sklaven das Vieh ins Leben zurückholen. Zum Schluss gibt’s ein Happy End: Catrinas Gatte wird freigelassen und kehrt zurück zu seiner Frau. Bei dem Spektakel, das die ganze Nacht andauert, steht übrigens kein echter Ochse auf der Bühne, sondern ein als Rindvieh verkleideter Mensch.
Viele Jahre wurde das Fest von der katholischen Kirche als „heidnisch“ abgestempelt und durfte nur auf privaten Bauernhöfen gefeiert werden. Heute gehört es zu den beliebtesten Festivitäten des Landes.
Cali, Kolumbien: Feria de Cali
Zwischen Weihnachten und Neujahr feiern die Einwohner von Cali besonders ausgelassen. Die Feria de Cali – Volksfest und Musikfestival in einem – ist inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ob bei Paraden, Theateraufführungen, Schönheitswettbewerben, auf Stierwettkämpfen oder einer der vielen Partys – hier kommen alle Besucher auf ihre Kosten. Jedes Jahr steht die Feria unter einem neuen musikalischen Motto; die besten Musikgruppen werden ausgezeichnet.
Die ganze Stadt vibriert, überall sind Tanzrhythmen wie Salsa, Merengue, Cumbia, aber auch Reggae zu hören. Die Musiker aus Cali bekommen Unterstützung von ihren Kollegen aus anderen Landesteilen, aber auch aus Cuba, den USA, der Karibik und Südamerika. Diese großartigen Künstler begeistern das Publikum mit ihren – teilweise kostenlosen – öffentlichen Live-Konzerten sowie Auftritten in Discotheken.
Die Gründung des Festes geht allerdings auf ein trauriges Ereignis zurück: Nachdem 1956 ein mit Sprengstoff beladener Militär-Laster einen Unfall verursacht hatte, bei dem 110 Menschen starben, wurde ein Jahr später die „Feria de la Caña“ ins Leben gerufen (später „Feria de la Salsa“ bzw. „Feria de la Rumba“). Diese schreckliche Begebenheit hat den Kolumbianern aber nicht ihre Lebensfreude nehmen können, was sich auf der Feria de Cali, wie sie heute heißt, und vielen anderen Festen immer wieder zeigt.
Otavalo, Ecuador: Inti Raymi, Fiesta de San Juan, Fiesta de San Pedro
Auch in Ecuador wird Inti Raymi prominent gefeiert – und gleich noch mit dem Fest des heiligen Johannes des Täufers verbunden. Am 21. Juni zelebriert die indigene Bevölkerung der Kleinstadt Otavalo, zirka 120 Kilometer von der Hauptstadt Quito entfernt, das Wintersonnfest, drei Tage später das San-Juan-Fest. Bei beiden Festivitäten lassen es sich vor allem die Männer richtig gutgehen. Bei Umzügen, Maskenparaden und auf der Straße wird viel getanzt und noch mehr getrunken.
In der Luft liegt Musik, überall spielen Straßenmusikanten auf Trommeln, Flöten, Violinen und Gitarren. Das Fest startet mit einem rituellen Bad im Peguche-Wasserfall (ohne Zuschauer). Es folgen Stierkämpfe auf der Plaza, Regatten auf dem San-Pablo-See und Kostümparaden. Die Verkleidungen sind originell und phantasievoll. So erscheinen Festbesucher als Mexikaner, Chinesen, Zorro, Batman oder auch Gringos.
Auf der Fiesta de San Juan kann es zu Blessuren kommen, wenn in alter Tradition bei der Kapelle des heiligen Johannes mit Felsbrocken gekämpft wird. Diese rituellen Kämpfe werden auch „tinku“ genannt. Die Festwoche wird von der Fiesta de San Pedro y San Pablo am 29. Juni abgerundet. Mit den drei Festen sollen auch die neue Ernte und Mama Erde geehrt werden.
Osterinseln, Chile: Tapati Rapa Nui
Das Mega-Fest der Osterinsel, Tapati Rapa Nui, begeistert einheimische Gäste und Touristen gleichermaßen. Normalerweise findet es Ende Januar / Anfang Februar statt. Mittelpunkt der Festivität ist die Wahl der Königin (Reina Rapa Nui).
Die Kandidatinnen werden von den bedeutendsten Familien der Insel gestellt. Es gewinnt diejenige, die bei den Wettkämpfen die höchste Punktzahl erzielt. Allerdings geht sie nicht selbst an den Start. Sie muss sich einen Athleten suchen, der sie würdig vertritt, sprich: der singen, tanzen und Moai-Statuen schnitzen kann, aber auch Talent in Sachen Körperbemalung, Bananenstamm-Abfahrt (bis zu 80 Stundenkilometer), Angeln, Tauchen, Pferderennen und noch viel mehr zeigt. Denn das ist schon die halbe Miete für den Sieg.
Tapati Rapa Nui startet mit der Vorstellung der Kandidatinnen und verschiedenen Folklore-Shows. Am kleinen weißen Sandstrand von Anakena erleben die Zuschauer noch einmal die Ankunft der ersten Siedler mit. Gleich anschließend können sie die Athleten im Krater der Werkstatt Rano Raraku beim Triathlon anfeuern. Bepackt mit Bananenbündeln umrunden die Sportler den See, schwimmen dann von einer Seite zur anderen und paddeln im Binsenboot Marke Eigenbau wieder zurück. Besonders fein geht es bei dem Wettbewerb nicht zu. Um zu gewinnen, kann schon mal das Ruderboot des Gegners empfindlich gerammt werden. In der Nacht verziehen sich die Party-Animals in die Festhütten und feiern weiter.
Der Straßenumzug mit geschmückten Wagen ist weniger gefährlich als die athletischen Kämpfe; er bildet den Höhepunkt des Tapati Rapa Nui. In der letzten Nacht des rauschenden Festes fällt endlich auch die Entscheidung, welche der Insel-Schönheiten das holzgeschnitzte Krönchen tragen und sich „Reina Rapa Nui“ nennen darf.
Venezuela: Fiesta de los Diablos Danzantes
Mit dem Teufel zu geht es an Fronleichnam in vielen venezolanischen Atlantik-Orten. Auf der Fiesta de los Diablos Danzantes ziehen Teufelstänzer – allesamt Mitglieder von Bruderschaften, die sich dem heiligen Abendmahl zugetan fühlen, in roten oder andersfarbigen, mit Klingeln besetzten Kostümen durch die Straßen. Ihre großen farbenprächtigen Tiermasken flößen den Zuschauern eine gehörige Portion Respekt ein.
Mit Kürbisrasseln geben die tanzenden Teufel auf der Fronleichnamprozession den Rhythmus an. Der Tanz der „Diablos de Yare“ stammt aus Spanien und wurde im 18. Jahrhundert nach Venezuela gebracht.
Auf dem Fest tragen die Tanzgruppen der einzelnen Ortschaften eigene Kostüme. Was überall mehr oder weniger identisch ist, sind die Tanz-Riten und das Ziel der Tänze: Die Diablos Danzantes erfüllen auf diese Weise ihre Gelübde und danken Gott für die Heilung von Krankheiten. Das Spektakel endet schließlich mit der Fronleichnamsmesse.
Da die Vorbereitung dieser Feste viel Geld kostet, werden einige inzwischen staatlich gefördert, zum Beispiel das inzwischen international bekannte Festival im Bundesstaat Miranda.
Oruro, Bolivien: La Diablada
Obwohl La Diablada von Faschingssamstag bis Fastnachtdienstag gefeiert wird, hat es nicht viel mit Fasching zu tun. Auf dem riesigen Folklore-Festival ringen die guten mit den bösen Mächten. Die Zeremonien verkörpern trotz einiger katholischer Einflüsse ein vorchristliches Dankes-Ritual, bei dem die Schutzpatronin der Bergarbeiter „Virgen de Socavón“ gewürdigt wird. Diesen Schutz brauchen die „mineros“ auch, denn sie arbeiten in den Gruben unter härtesten Bedingungen. Umso willkommener ist für sie dieses Spektakel, das sie von ihrem schweren Leben kurzzeitig ablenkt.
Religion, Aberglaube, Ehrfurcht vor den Naturgewalten vermischen sich beim La Diablada zu einem einzigartigen Schauspiel. Hunderte von Tänzern in phantasievollen Kostümen bevölkern die Straßen Oruros, um der Jungfrau zu huldigen. Symbole wie Schlangen, Kröten, Echsen und Ameisen stehen in den Anden für Fruchtbarkeit und sind in die Zeremonien integriert. Die tanzenden „supayas“ (Teufel für das Oruro unserer Zeit) repräsentieren die soziale Macht.
Tipp: Wer auf einen guten Sitzplatz Wert legt, sollte sich auf der Plaza de Armas einen Stuhl suchen.
Montevideo, Uruguay: Semana Criolla
In Uruguays Hauptstadt Montevideo kommt richtig Leben, wenn die Semana Criolla anbricht. Ob Musik, Tanz oder Aufführungen, überall ist etwas geboten. Auf dem Fest, das gleichzeitig auch das größte Gaucho-Festival des Landes ist und in der Osterwoche gefeiert wird, bleiben bei den „südamerikanischen Cowboys“ und ihren Fans während der Gaucho-Wettbewerbe auf wilden Pferden (Rodeo) kaum noch Wünsche offen.
Die mutigsten Gauchos Uruguays, Argentiniens und Brasiliens treten in mehreren Wettkämpfen gegeneinander an; am Ende der Woche wird der beste Reiter prämiert. Ungefährlich sind die halsbrecherischen Ritte nicht, aber das Publikum amüsiert sich köstlich.
Bei so vielen Reitstiefeln, Pferden und Westernmusik glaubt man fast schon, in einen Western mitzuspielen. Doch die Kreolen-Woche, die 1925 ins Leben gerufen wurde, bietet noch andere Highlights. So werden typisch uruguayische Produkte und Handwerkskunst gezeigt, leckere kreolische Gerichte angeboten und Kleinkunst präsentiert. Dazu gibt’s jede Menge Musik und ausreichend zu trinken.