Langzeitreise & Herausforderungen

Fremdheit kann nur in Bezug auf das Andere, Unbekannte entstehen. Das heißt, wenn wir z.B. unsere kulturellen Eigenarten mit denen anderswo auf der Erde vergleichen, erscheinen diese uns oft als fremd. Umgekehrt ist es natürlich genauso. Auch unsere deutsche Kultur empfinden z.B. viele Mexikaner, Chinesen oder Ghanesen als fremd, sprich: unvertraut. Wenn wir „Fremdem“ begegnen, ist Interkulturelle Kompetenz besonders gefragt. Auf diese Weise können wir die andere Kultur besser verstehen und unseren Langzeitaufenthalt bereichern.

Stereotype

Mithilfe von Stereotypen, die positiv oder negativ sein können, lassen sich vielschichtige Eigenschaften und Reaktionen von Personen aus anderen Kulturen mental vereinfachen. Wer z.B. noch nie mit einer bestimmten Kultur in Berührung gekommen ist, hält sich am Anfang an die Infos, die er schon hat. Er versucht, die für ihn fremden Verhaltensweisen von Personen in einen bekannten Kontext einzuordnen, um sich ein eigenes vereinfachtes Bild machen und sich orientieren zu können. Das erleichtert im ersten Moment den Umgang mit anderen Kulturen. Jeder sollte sich jedoch bewusst sein, dass diese Infos über die andere Kultur nur sehr lückenhaft sind und hinterfragt weren müssen.

Vorurteile

„Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“ (Albert Einstein)

„Ein Urteil lässt sich widerlegen, ein Vorurteil nie.“
(Marie von Ebner-Eschenbach)

Wenn sich diese allgemeinen, vereinfachten Informationen zu Meinungen und Einstellungen verfestigen, also emotional besetzt werden, spricht man von Vorurteilen. Vorurteile sind fast ausschließlich negativ zu bewerten.

Beispiel:
> Stereotype aufgrund fehlenden Wissens:
„Im Oman gibt es mehr Kamele auf den Straßen als Autos.“
> Vorurteil: „Oman ist ein zurückgebliebenes Land, wo nur Kameltreiber leben.“
Dass Oman in den letzten Jahrzehnten zu einem modernen Land geworden ist, kann nicht jeder wissen. Aber die Menschen dort zu „Kameltreibern“ zu degradieren, ist ein Vorurteil und beleidigend.

Mit Interkultureller Kompetenz Vorurteile und Stereotype abbauen

Beim Aufeinandertreffen mit dem Anderen / Fremden fühlen sich sehr viele Menschen verunsichert, da tief in ihr Wertesystem eingegriffen wird.

Lerne dich besser kennen!

Um mit der neuen Situation zurechtzukommen und die andere Kultur besser verstehen zu können, müssen Sie sich zuerst Ihrer eigenen Kultur, Wertesysteme und Denkmuster bewusst werden. Das ist nicht so einfach, da unsere Denk- und Handlungsweisen schon in der Kindheit geprägt werden und unbewusst ablaufen.

Lerne den Partner besser kennen!

Nach dieser intensiven Begegnung mit sich selbst, heißt es jetzt, sich peu à peu interkulturelle Kompetenz anzueignen, um von der Langzeitreise und dem Umgang mit den fremden Kulturen profitieren zu können. Toleranz für die kulturelle Viefalt zu entwickeln, ist ein guter Anfang, aber nicht ausreichend.

Lerne deshalb außer der Sprache auch die Menschen der anderen Kultur intensiver kennen (wie in einer Beziehung): Wie sehen sie ihre Heimat / die Welt, wie denken/fühlen sie in einer bestimmten Situation und warum …? Für diesen langwierigen Prozess ist es notwendig, längere Zeit an dem jeweiligen Ort zu verbringen.

Akzeptiere, dass du dich veränderst!

Die neue Kultur mit anderen Sichtweisen auf persönliche Beziehungen, Arbeitsmethoden, Problemlösungen usw. wird dich beeinflussen. Du wirst sicherlich auch neugieriger, offener und flexibler werden (wenn du das nicht schon bist). Wer sehr lange Zeit im Ausland gelebt hat oder gereist ist, wird irgendwann an den Punkt gelangen, zwar nicht mehr nach Hause zurückzuwollen, aber sich auch in der neuen Kultur noch nicht wirklich zu Hause zu fühlen.

Bei Heimatbesuchen wird erwartet, dass die selbe Person zurückkehrt, die vor längerer Zeit abgereist ist. Doch das wird nicht der Fall sein, was unter Umständen zu Konflikten mit den Daheimgebliebenen führen kann, deren Leben und Sichtweisen sich nicht so stark verändert haben.

Lernen, lernen und nicht verzweifeln!

Tief in die neue Kultur einzudringen und über sie mehr zu lernen, ohne darüber zu urteilen, erfordert viel Geduld und Durchstehvermögen. Sieh dich als neutraler Beobachter und werde dir  auch deines eigenen Unbehagens bewusst, wenn du bestimmte Verhaltensweisen oder Vorgänge gar nicht verstehst. Das ist manchmal nicht einfach, aber das neutrale Beobachten und gelassene Akzeptieren der Situation verhindert, dass Vorurteile und Frustrationen genährt werden.

Versuche also einfach, Ihre Mitmenschen zu beobachten und für sie Verständnis zu entwickeln. Um einen tieferen kulturellen Einblick zu bekommen, müssen Sie sich mit „trial and error“ an die neue Kultur herantasten. Das kann unter Umständen ein schmerzhafter Lernprozess sein. Es hilft auch, einen Vertrauten aus der Region an seiner Seite zu haben und sich bestimmte Denkweisen aus Sicht eines Einheimischen erklären zu lassen.Bei diesem Prozess der Anpassung sollte aber niemand die fremde Kultur für auftretende Schwierigkeiten verantwortlich machen, sondern sich seine negativen Reaktionen auf bestimmte Vorgänge einfach eingestehen.

Beim interkulturellen Lernprozess durchlaufen die meisten Menschen drei Phasen:

  • Sie sträuben sich dagegen, sich zu verändern und sich der Umgebung anzupassen.
  • Sie akzeptieren die neue Kultur mit ihren Anforderungen, aber ändern sich selbst nicht.
  • Sie passen sich an und verändern sich in der Hinsicht, dass sie neue Verhaltensweisen annehmen, sich neues Wissen und neue Fähigkeiten aneignen und ihre Sichtweise auf bestimmte Dinge ändern.

Es geht nicht darum, sich und seine Kultur komplett aufzugeben, sondern interkulturelle Sensibilität zu entwickeln, das heißt, die kulturellen Unterschiede und neue kulturelle Muster in die eigene Sichtweise mit einzubeziehen.

Hast du diesen interkulturellen Lernprozess erfolgreich durchlaufen, kannst du die gar nicht mehr so fremde Kultur noch intensiver erleben und ihre interkulturelle Kompetenz weiter vertiefen.

Definiere deine kulturelle Identität neu!

Nach all diesen Erfahrungen solltest du – bei langen Auslandsaufenthalten – für dich selbst festlegen, wohin du gehörst, welche Werte du leben willst, mit welcher Kultur du dich identifizierst (das können natürlich auch mehrere sein). Vielleicht hast du plötzlich das Gefühl, nirgendwo mehr hinzugehören oder „lost in cultures“ zu sein.

Auf jeden Fall solltest du auch im entferntesten Winkel der Erde den Kontakt zu den für dich wichtigen Freunden / Personen aus den verschiedenen Kulturen nicht abreißen lassen und über ein funktionstüchtiges Netzwerk verfügen. Das ist im Zeitalter des Internets eigentlich nicht mehr so schwer. Sprich auch mit deinen Freunden vor Ort darüber, wie es dir geht, damit sie sich besser in dich hineinversetzen können.